Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 13. Februar 2025 (C-383/23) Hinweise dazu gegeben, wie die Höhe von Geldbußen bei Verstößen gegen die niederländische Algemene Verordening Gegevensbescherming (kurz: AVG, Äquivalent zur DSGVO) zu bemessen ist, und (einige) Faktoren für deren Berechnung näher erläutert. Insbesondere wird der Begriff „Unternehmen“ im Sinne von Artikel 83 AVG präzisiert und die Frage beantwortet, ob bei der Berechnung des Höchstbetrags der Geldbuße der gesamte Konzernumsatz zu berücksichtigen ist. Dieses Urteil ist ein weiterer Schritt in einer Reihe von Urteilen des EuGH, die die Durchsetzungsinstrumente der AVG weiter präzisieren.
Dieses Urteil betrifft ein Strafverfahren, das von der dänischen Staatsanwaltschaft gegen das Unternehmen ILVA A/S eingeleitet wurde, das seinen Verpflichtungen aus der AVG in Bezug auf personenbezogene Daten ehemaliger Kunden nicht nachgekommen war. Es ist zu erwähnen, dass dieses Unternehmen Teil eines größeren Konzerns namens Lars Larsen Group ist.
Sie werden feststellen, dass das Verfahren, auf das sich die Vorabentscheidungsfrage bezieht, nicht verwaltungsrechtlicher, sondern strafrechtlicher Natur ist. Das dänische Rechtssystem sieht nämlich keine Geldbußen für Verstöße gegen die AVG vor. Gemäß Erwägungsgrund 151 der AVG ist ein solches System zulässig, sofern die verhängte strafrechtliche Sanktion die gleiche abschreckende Wirkung hat wie die üblicheren Geldbußen, die von den Aufsichtsbehörden verhängt werden.
Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts (Gericht in zweiter Instanz für Westdänemark) war die Art und Weise, wie die Höchstbeträge für Geldbußen bei Verstößen gegen die AVG zu berechnen sind, unklar. In der Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Höchstbeträge für Geldbußen bei Datenschutzverletzungen, Artikel 83 AVG, wird der Begriff „Unternehmen“ verwendet. Das vorlegende Gericht hält die Auslegung dieses Begriffs für entscheidend für die Berechnung der Geldbußen und damit für die oben genannte Frage für relevant. Die vorliegenden Fragen (sinngemäß wiedergegeben): Ist der Begriff „Unternehmen“ im Sinne von Artikel 83 Absätze 4 bis 6 AVG im Sinne des europäischen Wettbewerbsrechts auszulegen, und ist die Berechnung des Höchstbetrags einer Geldbuße auf den weltweiten Jahresumsatz des gesamten Konzerns (Lars Larsen Group) und nicht nur auf den des AVG-Verletzung beschuldigten Unternehmens (ILVA A/S) zu stützen?
Der Gerichtshof bejaht beide Fragen und verweist dabei auf Erwägungsgrund 150 der AVG und ein früheres Urteil in der Rechtssache Deutsche Wohnen (C-807/21). Dabei stellt der Gerichtshof klar, dass die wettbewerbsrechtliche Auslegung des Begriffs „Unternehmen“ in der AVG keine unmittelbare Auswirkung auf die Beantwortung der Frage hat, ob und unter welchen Voraussetzungen die Geldbuße verhängt werden kann, wohl aber auf die Festsetzung der Höhe der Geldbuße.
Auf der Grundlage des Wettbewerbsrechts bezieht sich der Begriff „Unternehmen“ auf eine wirtschaftliche Einheit, unabhängig davon, ob diese rechtlich aus mehreren natürlichen oder juristischen Personen besteht. Die Festsetzung des Höchstbetrags einer Geldbuße erfolgt daher auf Grundlage des Umsatzes des gesamten Konzerns. Verstöße gegen die AVG können somit zu Geldbußen in Höhe von bis zu 2 % oder 4 % des Umsatzes führen.
H Das Vorstehende ist für die Festsetzung des Höchstbetrags der Geldbuße relevant. Gemäß der AVG muss die Höhe der tatsächlich verhängten Geldbuße wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein – und kann daher deutlich unter den in der AVG festgelegten Höchstbeträgen liegen. Nach Ansicht des Gerichtshofs sind dabei die tatsächliche oder wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des betreffenden Unternehmens und andere relevante Faktoren zu berücksichtigen. Zu diesen Faktoren gehören unter anderem die Art, die Schwere und die Dauer des Verstoßes, die Anzahl der betroffenen Personen und die vorsätzliche oder fahrlässige Art des Verstoßes gegen die AVG.
Die Tatsache, dass sich eine verhängte Geldbuße auf den weltweiten Jahresumsatz komplexer Unternehmensstrukturen bezieht und nicht nur auf die Unternehmen innerhalb dieser Strukturen, die die AVG-Verpflichtungen nicht erfüllt haben, erfordert besondere Aufmerksamkeit bei der Überwachung der Einhaltung der AVG in großen und komplexen Konzernen.
Die Bedeutung dieses Urteils geht über die Durchsetzung der AVG hinaus. Auch andere Rechtsvorschriften der Europäischen Union sehen ähnliche Sanktionsregelungen vor, beispielsweise das Gesetz über künstliche Intelligenz (AI Act), das Gesetz über digitale Dienste (DSA) und das Gesetz über digitale Märkte (DMA). Der AI Act führt ein abgestuftes Sanktionssystem ein, bei dem die Höhe der Geldbußen von der Art und Schwere des Verstoßes abhängt. Verstöße können mit Geldbußen in Höhe von bis zu 1 %, 3 % oder 7 % des weltweiten Jahresumsatzes des betreffenden Unternehmens geahndet werden. Geldbußen für Verstöße gegen das DMA basieren jedoch ausdrücklich auf dem weltweiten Jahresumsatz der Unternehmen und betragen bis zu 10 % dieses weltweiten Jahresumsatzes, bei wiederholten Verstößen bis zu 20 %. Der DSA sieht dabei Geldbußen von bis zu 6 % des weltweiten Jahresumsatzes für Verstöße vor, mit zusätzlichen periodischen Geldbußen bei fortgesetzten Verstößen von bis zu 5 % des durchschnittlichen Tagesumsatzes. Das vorliegende Urteil kann daher weitreichende Auswirkungen auf die Auslegung von Berechnungen von Geldbußen haben, die auf anderen unionsrechtlichen Vorschriften beruhen, sei es für den gesamten Konzern oder für das verstoßende Unternehmen selbst.
B Darüber hinaus hat die europäische Aufsichtsbehörde EDPB in ihren Leitlinien bereits klargestellt, dass der Begriff „Unternehmen“ in der Bestimmung für Geldbußen im Sinne des Wettbewerbsrechts auszulegen ist. Nach Ansicht der EDPB sind Artikel 83 Absätze 4 bis 6 AVG nämlich im Lichte von Erwägungsgrund 150 AVG und im Einklang mit den Artikeln 101 und 102 AEUV auszulegen. Damit scheinen die Leitlinien der europäischen Aufsichtsbehörde im Einklang mit dem Urteil des EuGH zu stehen. Die niederländische Aufsichtsbehörde AP geht in ihren Leitlinien jedoch nicht auf dieses Thema ein. Die vorliegende Entscheidung wird daher sicherlich Einfluss auf das nationale Recht haben.
Autorin: Nika Nazarian.